Das dritte Cafe Kyiv, eines der bedeutendsten zivilgesellschaftlichen Ukraine-Events in Europa, fand am 11. März 2025 in Berlin statt. Mit über 100 Referent*innen, zahlreichen Veranstaltungen, Pop-up-Märkten und Film-Screenings bot es eine Plattform für den intensiven Austausch zu aktuellen Themen der Ukraine.
Die Kyjiwer Gespräche beteiligten sich mit einer Podiumsdiskussion zum Thema "Ensuring Europe's Security: Germany, Ukraine, and the Emerging Russia Threat". Das Panel, moderiert von Lesia Ogryzko, beleuchtete die aktuelle Sicherheitslage, die Rolle der Ukraine in der Verteidigung Europas und notwendige Schritte zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit angesichts der russischen Aggression.
Die Podiumsdiskussion fand in Kooperation mit dem Kyjiwer Sahaidachnyi Security Center statt.
Europas Sicherheitsarchitektur im Wandel
Lesia Ogryzko, Leiterin des Sahaidachnyi Security Center, betonte den historischen Wandel in der europäischen Sicherheitsarchitektur. Die Ukraine habe sich von einem "Problem" zu einer "Lösung" für Europas Sicherheit entwickelt. Sie unterstrich die Notwendigkeit für europäische Länder, die Rüstungsproduktion anzupassen und umfassende, zukunftsorientierte Verteidigungsstrategien zu entwickeln: "Europe and its small armies needs to do a lot to prepare for a war, and those who do, prepare for a war of the past, not the future". Neben der Rüstung sei auch die gesellschaftliche Resilienz zu stärken, was in Kontinentaleuropa oft vernachlässigt würde.
Bedeutung starker Allianzen
Inna Sovsun, Mitglied des Parlaments der Ukraine, Partei "Holos" hob die zentrale Bedeutung starker Allianzen zwischen der Ukraine, den USA und Europa hervor. Sie betonte die Notwendigkeit, diese Zusammenarbeit trotz bestehender Spannungen aufrechtzuerhalten, um einen strategischen Sieg Russlands zu verhindern. Sie sei überzeugt, dass die gemeinsamen Werte von Menschenwürde, Demokratie und Freiheit, auch in Zukunft die Ukrainisch-amerikanischen Beziehungen tragen werden. Sovsun unterstrich auch die Rolle der Ukraine als wichtiger strategischer Partner mit einzigartigen Fähigkeiten in der Drohnenkriegsführung und Erfahrungen in moderner Kriegsführung bis hin zur Versorgung von Verletzten, die derzeit kein anderes Land besäße.
Europas Weg zur "harten Macht"
Kapitän zur See Dr. André Pecher, Kommissarischer Leiter Forschung am German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), mahnte Europa zur Entwicklung der eigenen "hard power", wenn es in der multipolaren Weltordnung noch eine Rolle spielen wolle. Er plädierte für eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und der damit verbundenen Vorteile für die Allianz und betonte die Notwendigkeit eines massiven Ausbaus der Luftverteidigung, der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit und der Steigerung der eigenen und der ukrainischen Rüstungsindustrie. Es sei noch zu früh zu sagen, wie sich das „whatever it takes“ der angehenden Regierungskoalition in die Realität übersetzt - die öffentliche Wahrnehmung der Bedrohung für Europa sei in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt als im Baltikum oder der Ukraine. Von der deutschen Politik forderte er Klarheit in der Kommunikation und der Öffentlichkeit ihre strategischen Entscheidungsprozesse zu erklären.
Technologische Innovationen in der Kriegsführung
Marcus Welsch, OSINT und Datenanalyst und Autor des "Monitor Luftkrieg Ukraine" betonte die Rolle der Ukraine für die Verteidung Europas: "Preventing a bigger war is directly connected to our support for Ukraine". Welsch präsentierte Daten zur enorm steigenden Zahl russischer Drohnenangriffe (3.700 im Februar) und zur Wirksamkeit ukrainischer "Deep Strikes" gegen russische Logistikhubs. Die seit Sommer 2024 abnehmenden Einsätze von ballistischen Raketen können in zwei Richtungen interpretiert werden. Entweder hat Russland zusehends Schwierigkeiten, die Werschöpfungsketten aufrechzuerhalten, oder es werden Arsenale angelegt, die nicht nur für die Ukraine gedacht sind. Auf diese realen Gefahren sei die deutsche Öffentlichkeit nicht vorbereitet und die öffentliche Debatte misse die nötige Dringlichkeit. Er unterstrich die entscheidende Rolle technologischer Innovationen in der modernen Kriegsführung und zeigte sich optimistisch, dass die USA das Teilen von Aufklärungsdaten bald wieder aufnehmen werden, um nicht den Zugang zu ukrainischen Entwicklungsdaten zu verlieren.
"Die Ukraine ist zu einem strategischen Partner für die europäische Sicherheit geworden"
Die Podiumsdiskussion bot wertvolle Einblicke in die komplexen sicherheitspolitischen Herausforderungen Europas. Sie verdeutlichte die Notwendigkeit einer verstärkten europäischen Verteidigungsfähigkeit, die Bedeutung der Ukraine als strategischer Partner und die Rolle technologischer Innovationen in der modernen Kriegsführung.
Die Erkenntnisse des Panels unterstreichen die Dringlichkeit einer kohärenten europäischen Sicherheitsstrategie, die die aktuellen geopolitischen Realitäten berücksichtigt und die Verteidigungskapazitäten des Kontinents stärkt.
v.l.n.r. Marcus Welsch, Lesia Ogryzko, Inna Sovsun, Kapitän zur See Dr. André Pecher, Thomas Vogel
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