Mariupol: Bericht eines Bewohners

Die Hafenstadt Mariupol liegt im Südosten der Ukraine am Asowschen Meer. Seit zwei Jahren befindet sich hier eine der acht Regionalvertretungen der KIEWER GESPRÄCHE. Mariupol leidet seit 2014 erheblich am Krieg im Donbas und befindet sich nur 15 Kilometer von der Frontlinie entfernt. Wie nimmt die Bevölkerung der Stadt die aktuelle militärische Zuspitzung und die Erklärung des Kriegszustandes wahr? Dazu eine Einschätzung unseren Koordinators vor Ort, Vladyslav Zaitsev.

Gestern Abend, während der Übertragung der Parlamentssitzung, bin ich kein einziges Mal vom Fernseher aufgestanden. Die Verhängung des Kriegsrechts wurde beschlossen.

Für mich als Einwohner von Mariupol ist das von zentraler Bedeutung. Ich kenne mich zwar mit den juristischen Dimensionen nicht aus. Aber als normaler Bürger, den die Ereignisse unmittelbar betreffen, kann ich schon etwas sagen.

Bevor die Entscheidung fiel, herrschte große Anspannung in der Stadt. Das war fast so wie in den schwierigen Zeiten 2014 und 2015. Am schlimmsten ist immer die Unklarheit, wenn man nicht weiß, was kommt, wie das Parlament entscheidet und was das für die Stadt bedeutet. Wichtig ist, dass keine Panik ausbricht und die Leute keine Hamsterkäufe machen oder die Tankstellen belagern. Zum Glück ist auch nach der Entscheidung alles ruhig und wie immer. Heute, am 27. November, ist ein ganz normaler Tag.

Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man das Kriegsrecht schon viel eher beschlossen. Ich weiß nicht, ob das schon Anfang 2014, als die Krim und Teile der Ostukraine besetzt wurden, hätte sein müssen. Aber sicher Anfang 2018, nach den ersten Provokationen durch Russland im Asowschen Meer.

So oder so. Ich habe keine Angst um mich oder mein Land. Egal, wie sich das jetzt weiterentwickelt. Die Ukraine ist bereit. Wir hoffen sehr auf internationale Unterstützung im Kampf gegen den Aggressor, der nicht nur unser Land, sondern Europa und die ganze Welt bedroht.

 

Vladyslav Zaitsev, 27.11.2018

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