Policy Paper: Belastet 
durch Krieg? Spannungen, Erwartungen und Potentiale in den deutsch-ukrainischen Beziehungen

Die Kyjiwer Gespräche haben im Rahmen ihrer 17. Jahreskonferenz ein Policy Paper zu den deutsch-ukrainischen Beziehungen veröffentlicht. Ziel des Policy Papers war es, eine Bestandsaufnahme der deutsch-ukrainischen Beziehungen zu zeichnen und Politikempfehlungen zu erarbeiten, wie und in welchen Politikbereichen die bilaterale Partnerschaft gestärkt werden kann. Dazu führten die Autor*innen Inna und Mattia Nelles über ein Dutzend Interviews mit führenden Entscheidungsträger*innen und Expert*innen in Kyjiw und Berlin.

Die Studie zeigt, dass die deutsch-ukrainischen Beziehungen besser sind als sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Der öffentliche Diskurs über die bilateralen Beziehungen sei stark auf die als unzureichend angesehene Hilfe Deutschlands für die Ukraine ausgerichtet, der bisweilen die erhebliche deutsche Unterstützung im militärischen, ökonomischen, finanziellen und humanitären Bereich ignoriere.

Deutschland sei seit 2014 einer der größten europäischen Unterstützer für die Ukraine im militärischen und zivilen Bereich geworden. Dennoch falle es Deutschland schwer, die Rolle einer führenden Militärmacht zu akzeptieren, die die Ukraine nicht nur mit den Waffen versorgt, um der russischen Aggression zu widerstehen, sondern sie darin befähigt, den Krieg zu gewinnen.

Die Autor*innen stellen fest, dass die deutsche Regierung sich schwer tut, das richtige Narrativ zu finden, um der Öffentlichkeit im eigenen Land verständlich zu machen, warum eine kontinuierliche Unterstützung der Ukraine notwendig ist. Bis heute bleibt die strategische Kommunikation die größte Schwäche Deutschlands in der Unterstützung für die Ukraine.

Die Studie identifiziert sechs Bereiche, in denen die deutsch-ukrainischen Beziehungen während des andauernden Kriegs und im Wiederaufbauprozess verstärkt werden können. Die Empfehlungen sollen zu Denkanstößen in der politischen Debatte und weiteren ausführlichen Strategiepapieren anregen. Die Empfehlungen können wie folgt gruppiert werden:

  1. Ein besseres Narrativ über die Ukraine entwickeln
  2. Die strategische Kommunikation verbessern
  3. Die Instrumente deutscher Militärhilfe anpassen
  4. Den EU-Beitritt der Ukraine aktiv vorantreiben
  5. Eine Führungsrolle beim Wiederaufbau der Ukraine einnehmen
  6. Die Ukraine auf der mentalen Landkarte Deutschlands verankern

Deutschland sei in einer einzigartigen Position, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen und eine führende Rolle beim ukrainischen Wiederaufbau und der EU-Integration zu übernehmen. Insbesondere Deutschland solle sich um die richtige Darstellung bemühen, warum gerade die westliche und deutsche Hilfe für die europäische Friedensordnung wichtig ist. Darüber hinaus sollten die Ukraine und Deutschland ihre strategische Kommunikation anpassen und sich nicht nur auf die Defizite in ihren Beziehungen konzentrieren. Gleichzeitig müssten Anstrengungen unternommen werden, um die Ukraine auf der mental map der Deutschen zu halten und sicherzustellen, dass die Ukraine nicht nur mit Krieg assoziiert wird.

Die englischsprachige Original-Version des Policy Papers können Sie hier lesen.

Die ukrainische Version finden Sie hier.

Eine aktualisierte deutsche Fassung des Policy Papers können Sie hier herunterladen.

Disclaimer: Die in dieser Studie zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Argumente spiegeln nicht zwangsläufig die Haltung der Kyjiwer Gespräche, ihrer Partnerorganisation oder Förderer wider.

 

Die Autor*innen der Studie

 

Mattia Nelles ist Ukraine-Experte und Mitbegründer des Deutsch-Ukrainischen Büros (DUB) Public Affairs. Bis Oktober 2022 war er für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und für Projekte in der Ostukraine als Kommunikationsberater tätig. Die letzten sieben Jahre bildeten die Außen- und Innenpolitik der Ukraine – und hier insbesondere die Reformprozesse – den Schwerpunkt seiner beruflichen und akademischen Tätigkeit.

Bis Ende 2020 war er Programmdirektor des Ukraine-Programms am Zentrum Liberale Moderne (LibMod), einer Berliner Denkfabrik. Dort war er verantwortlich für die Plattform „Ukraine Verstehen" und ein Beratungsprojekt mit dem Parlament der Ukraine. Mattia absolvierte ein Masterstudium der Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Osteuropa an der Freien Universität Berlin.

 

Inna Nelles (Geburtsname Borzylo) ist Aktivistin, Expertin für Advocacy und strategische Kommunikation sowie Mitbegründerin des Deutsch-Ukrainischen Büros (DUB) Public Affairs. Von 2014 bis 2020 war sie als CEO für das Centre for United Action (Centre UA) in Kyjiw tätig, eine Denkfabrik und Organisation für zivilgesellschaftliche Advocacy. Zudem leitete sie nach der Revolution der Würde 2014 die ukrainische Organisation Chesno, die leistungsstärkste Watchdog-Initiative zur Kontrolle von Wahlgremien und politischen Entscheidungsträger*innen in der Ukraine. Sie war Beiratsmitglied des Reanimation Package of Reforms, der größten zivilgesellschaftlichen Advocacy-Plattform der Ukraine, die zahlreiche Reformvorhaben initiierte.

Inna absolvierte ein Masterstudium der Public Relations an der Nationalen Universität für Kultur und Kunst Kyjiw. Sie arbeitete als Journalistin für den ukrainischen öffentlichen Sender Hromadske.tv. 2020 gründete sie das Public Interest Journalism Lab, einen interdisziplinären Verbund von Journalist*innen und Soziolog*innen, der die Polarisierung der ukrainischen Gesellschaft mit Instrumenten des konstruktiven Journalismus bekämpft.

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